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Inter-Actions

SOZIALE AKTION UND INNOVATION

Die Organisation Inter-Actions asbl entstand 1979 im Anschluss an ein Sozialarbeiterpraktikum, das 1977 im Stadtteil Stadtgrund begonnen hatte. Weder das Datum noch der Ort, an dem die Organisation gegründet wurde, waren Zufall.

Ende der 1970er Jahre war die Stadt Luxemburg durch soziale Spaltungen gekennzeichnet, die sich deutlich in der räumlichen Aufteilung der Stadt widerspiegelten. In den Stadtteilen der Unterstadt, die topografisch klar von denen der Oberstadt abgegrenzt waren, konzentrierten sich die unterschiedlichsten sozialen Probleme, die zu Konflikten zwischen den Bewohnern führten und mittel- bis langfristig auch zur Ausgrenzung bestimmter Bevölkerungsgruppen und der nachfolgenden Generationen zu führen drohten. Die Probleme betrafen Folgendes:

  • Wohnen (maroder Zustand der Häuser)
  • Gesundheit (unhygienische Wohnverhältnisse, Verhaltensweisen wie Hygiene, Alkoholismus)
  • Bildung (geringe Erfolge der Kinder)
  • Arbeitslosigkeit (arbeitslose Jugendliche)
  • beginnende Kriminalität unter Jugendlichen
  • Fremdenfeindlichkeit

Inter-Actions setzte auf die Mobilisierung von Ressourcen durch Selbsthilfe, indem es Techniken wie die soziale Gemeinschaftsentwicklung einsetzte, die damals aus Sicht der Sozialarbeit als innovativ galten.  Im Vordergrund stand dabei das Konzept des “Empowerment”.  Das bedeutet, dass die Mitglieder von Inter-Actions nicht versuchten, Formen der Macht zu beanspruchen oder zu erlangen, sondern ihr Handeln darauf abzielte, den Mitgliedern der Zielgruppe bestimmte Fähigkeiten zur Beeinflussung ihres Lebens zu vermitteln, diese Fähigkeiten in ihnen zu wecken oder ihnen zu helfen, sie zu entdecken. Aufgrund ihrer vielfältigen sozialen Probleme stellten die Viertel der Unterstadt eine Herausforderung für die Sozialarbeit in Luxemburg dar. Initiativen konnten dann auf die Erfahrungen an diesen Orten und das dort erworbene Methodenwissen zurückgreifen.

Das Konzept des “Empowerment”, das man sowohl auf den Einzelfall als auch auf die soziale Gemeinschaftsentwicklung anwenden kann, blieb immer ein grundlegendes Element der bisherigen Projekte von Inter-Actions.

EINGLIEDERUNG GEGEN AUSGRENZUNG

Für eine gegebene Gesellschaft stellt das Bilden eines Ganzen, das Werden einer Einheit einen der grundlegendsten sozialen Prozesse dar. Dies erfordert die Anerkennung gemeinsamer Werte und Normen, um das Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken, es erfordert die Existenz einer Idee oder einer Institution, an der sich die Mitglieder der Gesellschaft orientieren können.  Um extreme Formen der Ausgrenzung zu bekämpfen, sind gezielte Eingliederungsmaßnahmen auf der Ebene kleiner Gruppen hilfreich.

Der Auftrag von Inter-Actions zeichnet sich durch den direkten Kontakt auf dieser Ebene aus. Diese Kontakte sind immer der Ausgangspunkt für eine sozialarbeiterische Intervention von Inter-Actions. Sie ermöglichen es einerseits, soziale Probleme relativ früh zu erkennen, und andererseits, Lösungsvorschläge zu entwickeln.

INNOVATION VON UNTEN

Auf der Grundlage direkter Kontakte zu schwachen sozialen Gruppen wurden im Laufe von 25 Jahren mehrere Projekte durchgeführt, die häufig mit der Einführung neuer Methoden oder Strategien der Sozialarbeit in Luxemburg verbunden sind. Hierzu zählen u.a.:

  • die Einführung der sozialen Gemeinschaftsentwicklung,
  • die Gründung des ersten “Tagesheims / Typ offene Tür”,
  • die Gründung des ersten privaten Unternehmens, dessen Ziel es ist, arbeitslose Jugendliche in den Arbeitsmarkt zu integrieren,
  • die Schaffung einer Wiedereingliederungseinrichtung zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen,
  • die Schaffung und Durchführung eines Pilotprojekts in Zusammenarbeit mit einer Zeitarbeitsfirma und der ADEM zur Wiedereingliederung von Arbeitslosen, die drei Monate nach ihrer Arbeitslosmeldung keine neue Stelle gefunden hatten,
  • die Berücksichtigung des Problems der Überschuldung mit der Einrichtung der ersten Schuldenberatungsstelle,
  • die Einführung eines standardisierten Verfahrens der Qualitätskontrolle (KES-Evaluierungssystem) für die Maison relais,
  • die Einrichtung einer Pilot-Kinderkrippe mit Unterstützung der Universität Luxemburg, um den Bildungsaspekt der Betreuung von Kleinkindern (frühkindliche Bildung) zu entwickeln.

Zunächst wurden viele dieser Projekte privat finanziert, später wurden sie regelmäßig von verschiedenen nationalen oder kommunalen Stellen unterstützt. Auf diese Weise wurden in 25 Jahren 20 Einrichtungen mit insgesamt 250 Beschäftigten gegründet.

Die von Inter-Actions praktizierten Interventionsmethoden haben mehrere Vorteile:

  • die ständige Wachsamkeit in Bezug auf die soziale Entwicklung und das Aufspüren von Ausgrenzungsmechanismen,
  • das schnelle Vorschlagen von Lösungen in Bezug auf die festgestellten Probleme,
  • das Experimentieren mit und die Anwendung von neuen Initiativen,
  • die Bereitschaft, bestimmte Risiken einzugehen,
  • die sorgfältige Koordination,
  • die Verbreitung von Erfahrungen.

Alle Projekte fördern das “Empowerment” der betroffenen Gruppen und Einzelpersonen und zielen auf ihre Eingliederung und Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ab. Die Aufgabe von Inter-Actions besteht darüber hinaus darin, sozialen Konflikten vorzubeugen und so soziale Kosten zu vermeiden.

PRAGMATISMUS UND PROFESSIONALITÄT

Die von Inter-Actions verwendeten Strategien sind pragmatisch und von hoher Professionalität geprägt.  Sie sind nicht von religiösen oder politischen Tendenzen abhängig. Die Organisation hat nie gezögert, Stellung zu beziehen und sogar Lösungen für Probleme vorzuschlagen, die nicht unbedingt dem (politischen) Zeitgeist entsprechen. In diesem Zusammenhang sind ihre Vorschläge zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zu nennen, die Anfang 1999 und 2003 veröffentlicht wurden.

Die Sorge um die Qualität der vorgeschlagenen Maßnahmen setzt voraus, dass sie einer ständigen Bewertung unterzogen werden. Neben den üblichen qualitativen Evaluationsverfahren wurde bereits 1986 im Bereich der Wiedereingliederungsprojekte sowie 1992 in der Schuldenberatungsstelle ein quantitatives System (Monitoring) eingeführt. Seit 2002 wird das Evaluationssystem der Kindertagesstätten auch in den Maison Relais angewandt.

BEZIEHUNGEN ZWISCHEN DEN VERSCHIEDENEN HANDLUNGSBEREICHEN

Die menschliche Existenz umfasst die sogenannten fünf Grundfunktionen: Arbeit (Einkommen), Wohnen, Bildung und Ausbildung, Pflege (Gesundheit) und Erholung (Reproduktion der Arbeitskraft). Die Stabilität all dieser Funktionen ist für den Einzelnen die Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration in die Gesellschaft. Störungen in einem Bereich ziehen Störungen in anderen Bereichen nach sich. Ungelöste Integrationsprobleme führen zu Spannungen, Fehlfunktionen, Konflikten und Kosten. Wenn sie sich auf ganze Gruppen ausweiten, sind die Auswirkungen für eine Gesellschaft umso gravierender.

In Zeiten des Individualismus und des verschärften Wettbewerbs nehmen die Desintegrationstendenzen zu. Traditionelle Institutionen wie die Familie oder die Kirche verlieren ihre integrative Wirkung. Selbst die Schule als Institution hat ihre Integrationskraft verloren. In diesem Bewusstsein und auf der Grundlage der Erfahrungen aus der sozialen Gemeinschaftsentwicklung hat Inter-Actions im Laufe seines Bestehens verschiedene integrationsfördernde Initiativen ergriffen, die auf Risikogruppen abzielen.

Mehrere Maßnahmen, die aus den sozialen Aktionen in den Stadtvierteln hervorgegangen sind und auf die Unterbringung und Betreuung von Kindern und Jugendlichen abzielen, sollen einerseits bestehende Mängel in der elterlichen Betreuung ausgleichen und andererseits die schulische Integration und die Eingliederung in den Arbeitsmarkt erfolgreich gestalten.  Durch Initiativen, die einen besseren Zugang zu angemessenem Wohnraum gewährleisten, durch die Ausweitung und Intensivierung von Maßnahmen zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt und durch die Einrichtung der ersten Schuldenberatungsstelle wird der soziale Abstieg von sozial schwachen Personen und Gruppen verhindert und ihre Integration gefördert.

SCHLUSSFOLGERUNG

Inter-Actions ist es wivhtig, Mechanismen der sozialen Ausgrenzung zu identifizieren und zu analysieren, angemessene und innovative Lösungen vorzuschlagen und diese in der Praxis zu erproben. Dank der Unterstützung von Politikern und ihren Mitarbeitern wurden Vorschläge von Inter-Actions in die Sozialpolitik aufgenommen.